Bildschirmfoto 2012-12-20 um 19.57.52Auch Camcorder gibt es wie Sand am Meer und in allen nur erdenklichen Preisklassen. Beworben werden die meisten Modelle mit unglaublichen Zoomwerten (die meist nur Digitalzoom meinen) und himmelhohen Megapixelzahlen für Fotoaufnahmen. Meist aber, wenn man dann in schlecht beleuchteten Räumen eine Aufnahme machen will, resultieren zu kleine Chips und viel zu hohe Pixeldichten und illusorisch hohes Digitalzoom in nicht mehr als „Pixelsalat“. Bildrauschen trübt die Freude an den Videos.

Aber natürlich werden an einen Camcorder vielfältige Anforderungen gestellt. So sollten Bilder automatisch stabilisiert werden, das Menüsystem sollte eingängig und einfach sein und natürlich sollten die Aufnahmen auch gute Audioqualität und generell gute Bildqualität aufweisen. Wer all diese Punkte erfüllt haben will, landet schnell in der 500€+ Preisklasse.

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Hier befinden wir uns auch mit dem Legria HF G10. Ob der Legria HF G10 tatsächlich den immer noch solzen Preis von etwa 850€ wert ist, wollen wir uns im folgenden Testbericht ansehen.

Verpackung

Für den stolzen Preis darf man auch umfangreiches Zubehör erwarten. Canon läßt sich hier nicht lumpen. Im typisch Canon-rot gehaltenen Karton finden wir nebst CD’s mit Windowssoftware (!) und Kurzfassungen der Handbücher (das vollständige Bedienhandbuch gibt’s nur als PDF) folgendes Zubehör:

  • Akku BP 808
  • Netzgerät
  • Fernbedienung
  • Touchpen
  • HDMI, Analogvideo & USB Kabel
  • Gegenlichtblende & Objektivdeckel

Die Verpackung selbst ist hauptsächlich aus Karton, lediglich der Camcorder in Luftpolsterfolie verpackt. Gewünscht hätten wir uns aber den Wegfall der diversen Kunststoffbeutelchen in denen jedes Kabel einzeln verpackt ist. Das muss einfach nicht sein.

Inbetriebnahme

Vorbildlich einfach kann der Camcorder in Betrieb genommen werden. Beim ersten Einschalten wird danach gebeten, das Datum sowie die Uhrzeit und die Zeitzone einzustellen. Von da an kann man prinzipiell loslegen. Grundsätzlich ist der „Auto“ Modus hier die erste Anlaufstelle, denn hier stellt der HF G10 alles vollautomatisch ein.

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Lediglich der Akku sollte vor der ersten Aufnahmesession voll geladen werden. Hier muss man leider bemängeln, dass einerseits das Netzgerät nicht direkt den Akku laden kann, wie man es von Canons SLR Kameras kennt, man also den Akku nur an der Kamera oder mit einem separat erhältlichen Ladegerät aufladen kann. Andererseits ist zu bemängeln, dass der Ladevorgang selbst des kleinsten (mitgelieferten) Akkus eine gefühlte Ewigkeit dauert (>3h). Das ist leider absolut nicht zeitgemäß, hier mehrere Stunden auf einen wieder einsatzbereiten Akku warten zu müssen.

Touchscreen Menü

Touchscreen Menü – Uhrzeit/Datum einstellen

Bedienung & Bedienelemente

Wie bei fast allen modernen Camcordern hat man auch bei diesem auf eine Vielzahl der Knöpfe verzichtet. Neben zwei konfigurierbaren Knöpfen links neben dem Touchscreen weist der HF G10 nur wenige Bedienelemente auf. Zwei weitere Tasten sind noch am Gehäuse unter dem Display versteckt, dann hätten wir einen Ein/Ausschalter (der leider mit dem rechten Zeigefinger nicht erreicht werden kann), einen weiteren konfigurierbaren Knopf, ein Drehrad sowie natürlich den Zoomhebel und den Knopf zum Starten und Stoppen der Aufnahme. Hinten oben am Gehäuse finden wir zudem einen „Mini Zubehörschuh“ der nur Canons eigenes Zubehör unterstützt.

Auch hier Kritik: Ein standard Zubehörschuh hätte definitiv Platz am Gehäuse gehabt, so muss sehr teures Canon-Zubehör gekauft werden oder ein Adapter gekauft werden.

Auszeichnend an diesem Camcorder ist der Fokusring vorne an der Optik über den zu jedem Zeitpunkt eine manuelle Korrektur des Fokus möglich ist. Auf Wunsch kann die Schärfe auch komplett manuell eingestellt werden. Im Modus für manuellen Fokus zoomt der Camcorder zudem digital ins Bild um so das Scharfstellen zu erleichtern

Wie schon eingangs erwähnt kann man entweder den vollautomatischen Modus wählen, den „manuellen“ Modus oder den „Filmmodus“.Im vollautomatischen Modus werden nicht nur Schärfe und Belichtung automatisch geregelt sondern  auch die Motivprogramme automatisch ausgewählt. Handelt es sich also z.B. um einen Sonnenuntergang, so erkennt dies der Camcorder und stellt den zugehörigen Modus ein.

Verwirrenderweise ist der „Kreativmodus“ hier mit „manuell“ gekennzeichnet. Verwirrend, weil auch hier vorerst automatisch belichtet und scharf gestellt wird. Dem  Nutzer stehen aber auch Modi wie Zeit- oder Blendenautomatik sowie ein echter manueller Modus zur Verfügung. Der Kreativität sind hier also keine Grenzen gesetzt. In diesem Modus kann der Camcorder bis ins kleinste Detail konfiguriert werden. Es kann Einfluß auf die Gegenlichtkompensation (BLC), den Weißabgleich, die automatische Helligkeitsverstärkung bei dunkler Umgebung (AGC), den Fokus, die Belichtung  oder aber auch den Mikrofonpegel, die Bildeffekte oder den Bildstabilisator genommen werden.

Touchscreenbedienung

Touchscreens sind so eine Sache. Hier finden wir einen „resistiven“  Touchscreen, also einen, der druckempfindlich ist und nicht mit den Touchscreens von modernen Smartphones vergleichbar ist. Daß das grundsätzlich nicht negativ ist, zeigt uns z.B. Nintendos Wii U mit einem sehr reaktiven und gut funktionierenden resistiven Touchscreen.

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Leider aber ist der Legria HF G10 hier qualitativ nicht ganz auf der Höhe. Zwar ist die Auflösung mit über 900000 Bildpunkten ausreichend und scharf, das TFT Display ist auch sehr farbkräftig; leider aber reagiert der Touchscreen teilweise nur zäh auf Bedienversuche der Finger und das scrollen in den Menüs ist manchmal etwas mühsam. Hier wäre Canon wesentlich besser bedacht gewesen, einen modernen kapazitiven Touchscreen zu verbauen anstatt eines resistiven mit schlechter Performance, nur um Spielereien, wie z.B. die Möglichkeit, ins Video zu „malen“ usw. zu ermöglichen. Mir stellt sich die Frage, ob das Zielpublikum bei einem damaligen Einführungspreis von ca. 1600€ auf diese Spielereien tatsächlich wert legte…

Aber nicht nur die Reaktion selbst ist hinderlich, auch das Menüsystem selbst ist nicht immer logisch oder ergonomisch. So tippt man auf „FUNC“ um zur Funktionsübersicht zu gelangen und dann z.B. auf „Aufnahmeprogramme“.

Touchscreen Menü

Touchscreen Menü

Im nächsten Bildschirmmenü fehlt aber eine zurück Schaltfläche, man wird komplett aus dem Menü katapultiert. In manchen anderen Menüpunkten gibt es aber sehrwohl eine zurück Schaltfläche. Unlogisch. Nicht falsch verstehen: Dass hier ein etwas betagtes Menüsystem zum Einsatz kommt ist zwar etwas ärgerlich aber absolut kein Grund, diesen Camcorder nicht zu kaufen. Schließlich verbringt man doch die meiste Zeit mit dem Aufzeichnen der Filme und nicht damit, bunte Menüs zu bestaunen. Ein Firmware Update wäre aber wünschenswert.

Bildqualität

Kommen wir nun zum wichtigsten Punkt. Der Bildqualität. Denn hiermit steht und fällt ein Kaufentscheid für einen Camcorder. Alleine „von außen“ läßt das mächtige Objektiv und die Blendenwertangaben viel erhoffen:

  • 10x optischer Zoom (30,4-304mm Kleinbild Äquivalent)
  • Full HD
  • 1/3″ CMOS, Chip
  • Blende 1:1,8-2,8, 8 Lamellen Irisblende
  • 58mm Filgergewinde
  • optischer Bildstabilisator

Hält das Bild aber den rein technischen Angaben stand? Ja. Die Bilder werden mit außerordentlich naturgetreuen Farben wiedergegeben, der Autofokus reagiert schnell und sehr zuverlässig.

Durch den relativ großflächigen Chip und die geringe Pixeldichte (Canons HD CMOS Pro Chip hat nur die für Full HD Aufnahmen benötigte Pixelanzahl, kann daher auch nur Fotos mit etwa 2 Megapixeln aufnehmen) sind selbst bei schlechten Lichtverhältnissen noch rauscharme Aufnahmen möglich. Wie stark der Legria HF G10 hier das Restlicht verstärkt (und damit das Rauschen erhöht) kann in den Einstellungen frei geregelt werden.2012-12-26 14.57.24 20121226 2012-12-26 14.59.47 20121226

Naturgemäß ist das Digitalzoom, das nach Wunsch auf 40fache oder 200fache Vergrößerung eingestellt werden kann, eher eine Spielerei als wirklich für ernsthafte Aufnahmen einträglich. Zu grob und pixelig werden hier die Aufnahmen. Zudem ist bei 200facher Vergrößerung ein Filmen aus der Hand selbst mit Bildstabilisierung auf der höchsten Stufe kaum möglich.

Standardgemäß ist übrigens der „powered IS“, also eine elektronisch verstärkte Version des optischen Bildstabilisators über eine der programmierbaren Tasten links des Touchscreens aufrufbar. In der Praxis ist auch durchaus ein Unterschied zwischen normalem Bildstabilisator und dem verstärkten erkennbar.

Das folgende Video wurde nicht nachbearbeitet. Leichte Kompressionsartefakte sind leider YouTube geschuldet.

Ein vielfach bemängelter Punkt hinsichtlich des Aufnahmeverfahrens des HF G10 ist der Fakt, dass er als PAL Version lediglich zwei Aufnahmemodi beherrscht: 50i (also 50 Bilder pro Sekunde, interlaced (= Zeilensprungverfahren) oder 24p (also 24 Bilder pro Sekunde wie im Kino (die allerdings intern ebenfalls als 50i aufgezeichnet werden). Ich bin kein Videoprofi – aber für mich war die erzielte Bildqualität absolut großartig und ich konnte keinerlei wie auch immer gearteten Probleme erkennen.

Tonqualität

Nun, hier darf nicht zu viel erwartet werden. Einerseits sind die Stereomikrofone nach oben gerichtet, was grundsätzlich nicht die beste Wahl ist, andererseits sind die Mikrofone kaum bis gar nicht gegen Wind geschützt was natürlich sofort in sehr lauten Windgeräuschen resultiert. Hier ist aber der HF G10 nicht alleine, diese Problematik finden wir bei fast allen gängigen Camcorder Modellen. Wer großen Wert auf hervorragenden Ton legt, kommt um ein externes Mikrofon, sei es eines für den Mikrofonanschluss oder auch eines für den Zubehörschuh,  nicht herum. Windstille vorausgesetzt sorgen aber auch die eingebauten Mikrofone für soliden Stereosound.

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Fotoaufnahme

Positiv ist hier allem voran zu vermerken, dass der Legria HF G10 sowohl während der Aufnahme als auch separat Fotos erstellen kann. Leider ist dies nur über einen Softkey am Touchscreen möglich, nicht über eine Hardwaretaste. Auch ist die Qualität der aufgenommenen Bilder bestenfalls mit mittelmässigen Handyfotos zu vergleichen und kommt weder an jene hochwertiger Smartphones wie Nokias Lumia Reihe oder Apples iPhone 5 heran, noch kann sie (natürlich) mit SLR Kameras mithalten. Das liegt natürlich auch an der Tatsache, dass Fotos lediglich mit maximal 1920×1080 Bildpunkten aufgenommen werden. Ich kann aber hier nur nochmals, wie schon eingangs erwähnen, dass die Fotoaufnahmefunktion eine „nette Draufgabe“ zur ausgesprochen guten Videoqualität ist, aber nicht zu den Kaufargumenten dieses Geräts zählen sollte.

Fertigungsqualität

Der Legria HF G10 zeichnet sich durch ausgesprochen gute Verarbeitung aus. Hier knarrt nichts, hier knarzt nichts und die meisten Bedienelemente sind am richtigen Ort. Speziell das sehr oft zu verwendende Touchscreen Display macht einen solide verarbeiteten Eindruck und weist auch beim Schwenken und Drehen des Displays kein Spiel auf. Zoom und Focus arbeiten nahezu geräuschlos, speziell während der Aufnahme kam es zu keinerlei Störgeräuschen von der Hardware. Auch Akkuaufnahme sowie das metallene Stativgewinde machen einen soliden und hochwertigen Eindruck.

Fazit

Mit dem Legria HF G10 liefert Canon einen hochwertigen Camcorder mit hervorragender Bildqualität, soliden Stereomikrofonen und ausreichend großem internen Speicher. Die doppelt ausgeführten SD Karten Slots und die vielfältigen Einstellmöglichkeiten zählen zu den Stärken dieses Geräts. Auch erfreulich sind die zuverlässige „Schnellstart“ Funktion sowie ein echter Sucher der die Benutzung auch ohne Touchscreen ermöglicht.

Negativ fällt das nicht mehr  zeitgemäße und teils umständliche bzw. unlogische Menüsystem und der resistive Touchscreen auf. Hätte Canon hier auf ein Android- oder iOS ähnliches Bedienkonzept, vor allem hinsichtlich der Reaktionsgeschwindigkeit geachtet, und das System auf einfache und logische Bedienbarkeit optimiert, so wäre dies definitiv von Vorteil gewesen.

Wer einen kompakten und leistungsstarken Camcorder sucht der sein Geld Wert ist und spezielles Augenmerk auf zuverlässigen Autofokus sowie hervorragende Bildqualität bei den Videos legt, sollte zuschlagen.