Hier muss ich nun ein wenig ausholen. „Sous-Vide“ wird vielen immer noch eher als ein etwas hochgestochenes französisches Küchenwort im Ohr nachklingen aber dennoch recht wenig sagen. Im Grunde ist es ganz einfach. Sous-Vide bezeichnet Niedrigtemperaturgaren über einen längeren Zeitraum, quasi der genaue Gegensatz zum klassischen Kochen/braten/grillen.
Üblicherweise waren Sous-Vide Wasserbad-Geräte recht teuer und eher in Profi-Küchen zu finden, sie nahmen zudem auch recht viel Platz auf der Arbeitsplatte weg. Anova hat hier nun schon seit einer Weile ein anderes Konzept am Start. Der „Precision Cooker“ von Anova ist konzeptionell einem Tauchsieder ähnlich und kann mit fast jedem Kochtopf verwendet werden. Bluetooth und WiFi Verbindung zum Handy runden das Angebot ab. Aber – funktioniert das tatsächlich so gut?
Was ist Sous-vide?
Niedrigtemperaturgaren startet bei ca. 50°C. Das Konzept ist, dass im Fleisch ab 50°C gewisse „Zersetzungsprozesse“ starten, die letztlich das Fleisch zart machen. Sous-Vide im klassischen Sinn heißt übrigens „unter Vakuum“ und rührt daher, dass klassischerweise das zu garende Produkt luftdicht eingeschweißt werden sollte, also vakuumiert werden sollte.
In der Praxis haben wenige von uns teils recht teure Vakuumiergeräte, die „Immersionsmethode“, also das Gargut in einem Zip-Lock Gefrierbeutel vorsichtig unter Wasser zu tauchen (natürlich mit der Öffnung des Beutels offen und über Wasser ;-)) um die Luft herauszudrücken funktioniert ganz gut im Alltag.
Wichtig für das Sous-Vide Garen ist letztlich die Kerntemperatur des Fleisches und eine gewisse Mindestdauer, über die diese Kerntemperatur gehalten werden sollte. So kann ein Steak sehr wohl in einer Stunde auf Kerntemperatur von z.B. 54°C gebracht werden und dann gegessen werden; meistens aber ist eine eklatant längere Gardauer von z.B. 2,5h vom Resultat her noch besser; das Fleisch ist genauso rosa wie nach einer Stunde, dennoch aber zarter und einfach leckerer zu essen. Diese Gardauer hängt übrigens auch stark vom gewählten Fleisch ab. Rinderfilet z.B. ist schneller perfekt zart wie etwa ein Rumpsteak.
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Je nach Fleischart und Qualität kann man natürlich sogar mehrere Tage lang das Fleisch im Wasserbad vakuumiert garen – so gelingt z.B. perfektes Pulled Pork.
Zusammenfassend kann man sagen: Für’s schnelle Minutensteak bei Heißhunger nach Feierabend bemüht man besser die klassische Pfanne. Für den Sonntagsbraten oder einfach ein gemütliches Abendessen wo es nicht ganz so schnell gehen muss gewinnte jedes Stück Fleisch unglaublich an Genussfaktor, wenn es nicht in einer Pfanne totgegart wird und stattdessen langsam sous-vide gegart wird.
Einrichtung, Inbetriebnahme
Im Grunde gibt es keine notwendige „Einrichtung“ für Anovas Sous-Vide Garer. Der Hersteller liefert eine „Klemme“ mit, mittels derer das Gerät bequem an jedem nur erdenklichen Kochtopf mit möglichst geraden Wänden montiert werden kann. Ist diese Klemme montiert, so muss nur noch der Precision Cooker eingeschoben und mittels eines kleinen Rädchens fixiert werden. Das Gerät selbst hat übrigens keinen Ein/Ausschalter – steckt man den Stecker in die Steckdose startet das Gerät und ist fast sofort betriebsbereit.
Am oberen Ende weist das Gerät sein Display auf, das neben der aktuellen Wassertemperatur (oberer Teil des Displays) auch einen etwaigen Timer und Wunschtemperatur sowie die Funkverbindung anzeigt. Ich sage bewußt „Funkverbindung“ da man leider nie so genau weiß ob das Gerät eigentlich via Bluetooth oder Wifi verbunden ist (vorausgesetzt man benutzt, so wie ich, jenes, das sowohl Bluetooth als auch Wifi eingebaut hat).
Lässt man Wifi und Bluetooth-Verbindungen und Apps außen vor so reicht es aus, am Drehrad unterm Display die gewünschte Temperatur (genau auf Zehntelgrad) einzustellen und die Start-Taste zu berühren. Das Gerät heizt auf die gewünschte Temperatur auf und piept, sobald diese erreicht wurde. Dann kann das Gargut ins Wasserbad befördert werden.
Bedienung am Gerät
Hier hat der Hersteller dringendst nachzubessern, speziell was das Verwenden von Timern angeht. Wie eingangs beschrieben, ist die Bedienung grundsätzlich einfach, will man jedoch einen Timer manuell am Gerät einstellen, so wird man vermutlich kopfkratzend irgendwann aufgeben…
Gehen wir einfach davon aus, wir haben unseren Precision Cooker auf Celsius gestellt (das geschieht bei der Inbetriebnahme durch ein längeres Berühren der Starttaste). Nun verbinden wir das Gerät mit der Steckdose, es startet und zeigt oben Isttemperatur und unten Solltemperatur an.
Will man nun einen Timer setzen, so MUSS (!) man zunächst die Starttaste berühren bis er auf Fahrenheit umschaltet. Danach muss man die Starttaste nochmals etwas länger berühren; zunächst schaltet er zurück auf Celsius und danach (!) leuchtet erst die Timertaste rot. Um nun einen Timer zu setzen, berührt man die Timertaste etwas länger, bis er piept. Nun kann man am Drehrad den Timer in fünf-Minuten-Schritten einstellen. Berührt man erneut die Timertaste, so ist der Timer eingestellt und man kann die Temperatur justieren mittels des Drehrades. Nun reicht ein Druck auf die Starttaste um das Aufheizen zu starten; der Timer läuft dann ab Erreichen der Solltemperatur.
Sorry Anova, aber dieser eine Punkt an eurem wunderbaren Gerät ist schlicht saudeppert; es könnte doch einfach die Timer-Taste gleich nach dem Einstecken des Stromsteckers leuchten… nun gut, meist benutzt man, schon alleine um die optimale Temperatur und Gardauer zu kennen, ja Apps die diese Einstellungen für einen erledigen.
Bedienung über Apps
Es gibt mehrere Apps, über die man Anovas Precision Cooker steuern kann. Mit dem Wifi Verbinden kann man das Gerät aber nur mittels Anovas App. Beiden Apps ist übrigens gemein, dass sie auch brav Infos zu Timern oder zum Aufheizen an das Handy und somit auch z.B. die Apple Watch pushen. Sehr hilfreich wenn das Mittagessen während des Sonnenbadens am Dach gerade fertig geworden ist 😉
Anova App
Als ich mit dem Test begann, bot Anova noch zwei Apps im Appstore an; zwischenzeitlich sind zwar immer noch beide vorhanden, eine Notiz weist den Kunden aber darauf hin, dass nur noch die „Anova Culinary“ App Updates erhalten wird. Nun gut, hoffen wir mal, dass der Hersteller hier bald aufräumt.
Diese App ist dabei recht einfach aufgebaut allerdings leider nur auf Englisch verfügbar; das ist zwar grundsätzlich für die wenigsten ein Problem, allerdings werden nicht viele Leute die exakten Englischen Bezeichnungen für Fleischstücke aus deutschen Supermärkten kennen; in Österreich heißt ja alles nochmals anders 😉 (Pork Tenderloin, Schweinelende, Schweinefilet, Schweinslungenbraten nur so als Beispiel).
Grundsätzlich aber wählt man einfach das Produkt aus, z.B. Pork, wählt dann das Fleischstück, z.B. Tenderloin und kann dann mittels Bildern und links/rechts wischen den Gargrad wählen. Bei Gargrad „medium“ z.B. schlägt die Anova app 60°C sowie eine Gardauer von einer Stunde vor.
Man wird also nun unten auf „Connect Anova“ clicken und den Anweisungen folgen, schon ist der Cooker mit Bluetooth und Wifi verbunden; das läuft einfach schnell und problemlos ab; in Zukunft verbindet sich die App dann automatisch.
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Schön ist hier, dass man je Fleischstück auch bebilderte Anweisungen sowie „Finishing“ Tipps erhält. Sehr gut!
Folgende Bilder stammen aus der Einrichtung mittels der nicht länger aktualisierten aber derzeit noch ladbaren und funktionierenden „Anova Wi-Fi App“:
Sous-Vide °C App
Hier wird’s nun interessant; vergesst die Anova App, nachdem ihr den Cooker mit dem Wifi verbunden habt, trennt die Verbindung und wendet euch der Sous-Vide °C App zu. Die Anova App ist für Tipps und zum Nachschlagen nett, aber zum richtigen Kochen verwende ich „Sous Vide °C“ für 3,99€.
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Auch hier wählt man zunächst das Produkt und dann den Gargrad. Das Ganze ist zwar optisch nicht so toll wie Anova, aber funktionell absolut genial. Links wird sogar am Display ein kleines Zentimetermaß eingeblendet um die Dicke des Stücks (sofern man sich das Display versauen will ;-)) eingeblendet.
Schweinefilet z.B. mache ich immer „Rosa, á point“; hier, und das ist der bemerkenswerte Unterschied zur Anova App, schlägt diese App vor, man solle das Filet bei 57°C für 2,35h garen. Weniger „praktisch“ als Anovas Vorschlag – aber ich kann euch sagen – das Resultat ist in 99,9% der Fälle noch besser.
Nicht falsch verstehen, auch mit der Anova App ist bisher jedes Stück Fleisch gelungen. Kein Thema. Die Vorschläge der Sous-Vide °C App liefern aber noch bessere Ergebnisse. Und wer ernsthaft Sous-Vide garen will, für den Spielen 1h oder 2,5h Gardauer keinen Unterschied.
Natürlich beherrscht auch diese App das Steuern des Cookers, so kann sowohl das Heizen/Vorheizen als auch der Timer bequem eingestellt werden, auch Benachrichtigungen am Telefon funktionieren perfekt. Allerdings, das sagt die App, die Verbindung erfolgt über Bluetooth und nicht über Wifi, wie bei der Anova App.
Ebenfalls top: Es gibt eine Sektion mit Tutorials sowie mit „Know How“ Artikeln die ich jedem ans Herz legen kann.
Der Genussfaktor
Ja und hier kann man nur sagen „now you’re talking!“. Stephan hatte ja den Precision Cooker schon eine Weile vor mir und ich war da immer skeptisch, dass das tatsächlich solch unglaubliche Unterschiede geben soll. Ich koche ganz gut und sehr gerne und meine Steaks waren immer schön Rosa und auch meistens zart.
Sous-Vide-Garen hingegen ist eine gänzlich andere Klasse des Kochens. Speziell Fleisch mit der Sous-Vide Methode nicht zart zu bekommen ist fast unmöglich – immer qualitativ hochwertiges Fleisch vorausgesetzt.
Zu Weihnachten gab’s Rinderfilet an einer Portwein-Steinpilz-Sauce mit Maroniknödel und Thymianbirne. Natürlich Sous-Vide gegart. Also gemäß „Sous-Vide °C“ die Temperatur auf 49°C und die Dauer auf über 2h eingestellt. Das Fleisch zuvor gesalzen, gepfeffert, scharf rundherum angebraten und in einen Gefrierbeutel gepackt; Fleisch versenkt und nicht mehr daran gedacht bis es an’s servieren ging. Hier nun das Fleisch aus dem Beutel holen, den Fleischsaft kann man wunderbar für die Sauce verwenden. Mit einem Bunsenbrenner kann man nun die Oberfläche des Filets schnell nachbräunen. Das Filet dann einfach aufschneiden und servieren. Perfekt und ein wahres Gedicht.
Und das Beste: Ruft der Nachbar kurz mal rüber und man verzettelt sich beim Tratsch – kein Problem, wenn das Filet statt 2h dann 3h im Wasserbad ist ist es noch ein klitzekleines Stück zarter. Sous-Vide-Garen ist unglaublich entspannend und das mit vorzüglichem Erfolg.
Saltimbocca vom Huhn
Beefsteak im Prosciutto-Mantel
Beefsteak mit Rosmarin
Im Alltag
Was ich mir persönlich für mich noch wünschen würde, wäre ein Vakuumiergerät. Zwar kann man absolut problemlos das Gargut einfach in einen Gefrierbeutel packen und dann vorsichtig (!) den noch offenen Beutel in einer Schüssel mit kühlem/kaltem Wasser so weit untertauchen bis alle Luft entwichen ist und ihn dann verschließen, es wäre aber doch um einiges komfortabler gleich einen echten Vakuum-Beutel mit Vakuumiergerät zu verwenden.
Warum? Ganz einfach: Mit der „Immersionsmethode“, also dem Untertauchen, schafft man es nie, alle Luft aus dem Gefrierbeutel zu drücken. Beim Garen erwärmt sich diese Rest-Luft und kann dafür sorgen, dass das Gargut zu schwimmen beginnt und das muss natürlich strikt vermieden werden, da das Garergebnis nicht gleichmäßig wäre. Das kann zwar selbst bei richtig vakuumierten Lebensmitteln vorkommen, aber eben nicht ganz so häufig. Je länger die Gardauer desto eher kann es vorkommen, dass der Beutel zu schwimmen beginnt.
Abseits des Eintütens verwende ich den Precicions-Cooker wann immer ich kann und es die Zeit ermöglicht. Sobald ich ein Rezept koche. Saltimbocca vom Huhn z.B. gelingt traumhaft da man das dicke Filet perfekt garen kann und danach nur noch Salbei, Parmesan und Panchetta zufügen muss und nur noch DAS garen muss, anstatt darauf achten zu müssen, dass das Filet auch tatsächlich durch ist.
Zähes oder trockenes Fleisch gibt es nicht mehr. Es gelingt einfach alles perfekt. Einzig was es braucht ist Zeit. Und zur nächsten Grillsaison werden wir dann noch einen Zahn zulegen und Burger, Grill-Steaks oder auch Gemüse, Fisch und Pulled-Pork zubereiten.
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Der Precicion cooker warnt außerdem, sollte zu wenig Wasser im Kochtopf sein, ich würde aber jedem Raten, der eine sehr lange Gardauer anstrebt, ein möglichst geschlossenes oder mit Frischhaltefolie abgedecktes Behältnis zu verwenden. Gerade beim Garen mit einer präzisen Temperatur ist es wenig zielführend, Wasser mit der falschen Temperatur hinzuzufügen.
Stephan z.B. hat selbst ein Gar-Behältnis gebaut – kaum Wasserverlust selbst bei 48h Gardauer und nebenbei sogar noch eine Aufbewahrungsbox für den Cooker. In den Bildern unten sind das übrigens ca. 2,8kg Schweinenacken für Pulled Pork 😉
Wartung
Eigentlich ist Anovas Precision Cooker Wartungsfrei. Wenn nötig, kann aber der untere Edelstahlteil abgenommen und gereinigt werden; das kann z.B. bei sehr kalkhaltigem Wasser oder aber auch, falls mal doch mit einem der Kochbeutel ein Missgeschick passierte, sehr hilfreich sein.
Fazit
Kurzfassung: Wie konnte ich so lange ohne den Precision Cooker von Anova auskommen. So viel besser sind die Ergebnisse, so viel weniger Stress verursacht es, z.B. für eine ganze Meute perfekt gegarte Steaks auf den Tisch zu bekommen. Und ganz ehrlich, gutes Fleisch verlangt auch nach guter Zubereitung. Wer’s nicht medium rare mag, der kann das Fleisch immer noch etwas in der Pfanne nachgaren. Dennoch wird das Ergebnis unvergleichlich besser sein, als ein in der Pfanne durchgegartes Steak.
Einzig Gemüse ist für Sous-Vide nur teilweise geeignet. Aber dafür kann ja Anova nix. Auch da werde ich mich aber noch weiter einlesen und probieren, was so alles möglich ist. Im Sommer sollte dann ein weiterer Bericht folgen.
Wer also mit Sous-Vide loslegen will, dem kann ich den Anova Precision Cooker uneingeschränkt empfehlen. Die 20€ Aufpreis von der „nur Bluetooth Variante“ zu jener mit Bluetooth + WiFi würde ich dennoch jedem ans Herz legen. Damit ist man dann bei 199€ Anschaffungskosten, Porto berechnet Anova derzeit keines!
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